Seine Augen. Seine Augen! Seine Augen?

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UnNatur (Pt. 3)

"Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein."
(Mohandas Karamchand Gandhi)

Fremdes Vorspiel

Es muss am späten Abend oder in der frühen Nacht an einem Juli- oder Auguststag im Jahre 1997 gewesen sein. Ich striff durch die heimischen Straßen von Bamberg vom Adenauerufer kommend Richtung Bahnhof.
Begleitung hatte ich in Form eines damaligen Freundes - heute immer noch bekannt, aber leider schon lange nicht mehr in Farbe gesehen.

Wir zogen so den Weg zu unserem Ziel entlang, als uns auf Höhe Marienplatz eine junge, adrete Frau entgegen kam. Mit einem kurzen Lächeln passierte sie uns. Eigentlich eine ganz normale Szene, doch auf Höhe der Pizzeria Eggelsee stellte ich fest, dass mein heutiger Bekannten immer noch dieses "Vorbeigehlächeln" auf den Lippen hatte, daher fragte ich ihn unverblümt: "Die hat dir gefallen!?" mehr oder weniger eben mit einem Ausrufezeichen. Darauf blieben wir kurz stehen bzw. vielmehr er, und ich folgte dem aprubten Stillstand auf dem Fuße. So stellte er sich vor mir, und "hammerte" sprichwörtlich die zwei wiederholenden Worte vor meinen Kopf. Vorher fragte er aber noch verduzt: "Hast du das nicht gesehen?"
Klar das meine Antwort erneut eine Frage war: "Was gesehen, H****?" [Name zensiert]. Und dann setzte er an mit seinem Hammerschlag, so stark, dass ich das bis zum heutigen Tage noch so gut in Erinnerung habe.


"Na ... IHRE AUGEN! IHRE AUGEN!!" waren nett dachte ich mir auf seinen Ausspruch voller Inbrüstigkeit. Viel Dialog war danach nicht mehr zustande gekommen. denn mein Bekannter war voller Eifer mir das mit "Ihre(n) Augen" in Monologform genauer zu erklären. Ich achtete dabei peinlichst genau darauf nichts zu hinterfragen und möglichst viel zustimmende Gesten oder Worte zu finden. Die Frage nach der Farbe dieser "AUGEN!" habe ich mir erlaubt nicht zu stellen.
In jedem Fall hat er mir bei späteren Treffen noch öfters von "Ihren Augen, Ihren Augen" erzählt. Selbst im Winter bei einer Tasse Grog im Schabernack in Hirschaid war das für ihn weiterhin ein ausfüllendes Thema für einen Abend. Und für mich galt dann mal wieder "Schweigezeit" und purer Hörgenuss. 

Ob er beim Song von Bruno Mars's "Just The Way You Are" - 14 Jahre später herausgekommen - und dessen ersten Testzeilen

"On her eyes, her eyes make the stars look like they're not shining"
"Oh, Ihre Augen, ihre Augen lassen die Sterne alt ausseh’n" ((Übersetzung: songtexte.com)

immer noch an "IHRE AUGEN, IHRE AUGEN" denkt?!?  


Mein Vorspiel

Damals trug ich Brille, aus einem anderen Grund als heute. Aber das war nicht immer so, kein Kind kommt mit einer Brille auf die Welt. Und auch ich durfte die Bekanntschaft mit so einem komischen Gestell erst mit der Einschulung machen.
Kennen- aber nicht liebengelernt drückt das am besten aus. Und auf welche Ideen ein Kind kommt, das so etwas nicht möchte, das kann ich anhand einer kleine Geschichte aus meiner Vergangenheit verdeutlichen.

Hauptakteur war aber gar nicht meine Person, sondern ein Baum, genauer gesagt eine "Apfelbäumin", die heute leider nicht mehr existiert. Aber werfe ich einen Blick aus dem Fenster, so kann ich mir sie mitsamt ihrer vielen Blütenknospen heute noch vorstellen. Wie sie da stand am Ende des Frühjahrs und grinsend zu mir sprach: "Du und ich, wir haben einen Übereinkunft."
Und wir beide hatten sie eingehalten. 
Es trug sich seinerzeit so zu: Ich spielte am Nachmittag mit einem Nachbarsmädchen, die sich nicht zu fein war mit mir auf Bäumen zu klettern und auch sonst jeden Mist mitmachte, den ich mir so in den Kopf setzte. Ob ich dabei ihren Horizont erweitert habe oder sie nur zu Taten in den Augen der Erwachsenen bewog, die nicht ganz okay waren, sei dahingestellt.

Am Abend des Tages stellte meine Mutter zu ihrem Ersetzen fest, dass ich mein Brillengestell nicht auf der Nase und haltend über den Ohren trug. Selbstverständlich ging sie danach suchen, genau dort wo ich ihr sagte, dass ich sie das letzte Mal sah, aber natürlich nur so wage wie möglich - im Garten eben.
Und da es schon düsterte, war ihre Suche trotz einer lichterzeugenden Apparatur namens Taschenlampe erfolglos.

Alles prima dachte ich mir, hatte aber nicht mit ihrer Hartnäckigkeit gerechnet, die darauf hinauslief, dass sie nun jeden Tag nach diesem kostbaren Objekt Ausschau hielt. Womöglich hat sie sich mit der Suche sehr lange beschäftigt, und sie war dabei äußerst ausdauernd, was ich so gar nicht nachvollziehen konnte. Womöglich bedeutete ihr die beiden runden Gläser in einem Eisengestell eingebetet wesentlich mehr als ich es erahnen konnte. 

Sie zog alle möglichen Menschen ins "Verhör" mit ein, die ihr eventuell hilfreiche Tipps geben konnten, das Zielobjekt zu finden. Aber Frau Apfelbaum und ich hatten unseren "Deal", und ich vertraute darauf. Ob meine Sandkastenfreundin das auch wußte, weiß ich nicht, zumindest gab sie keine brauchbaren Hinweise. Und so ereignete es sich, dass meine erste Brille drei lange Woche Freiheit genoß.
Und ebenso wie ich, denn ich befand das Tragen einer Solchen für sehr unnatürlich, geradzu befremdlich, mal abgesehen von der Unbequemlichkeit, des Unbehagens, des Unpraktischem und der Last auf meinem Nasenflügeln.

Meine Mutter hat mir in den nachfolgenden Jahren oft diese Geschichte erzählt, ich ihr aber nie meine und der "Bäuminin Absichten" dahinter, die fast aufgegangen wäre.
Es scheiterte leider daran, dass Frau Baum und ich eines nicht bedachten: die Suche meiner Mutter kurz nach dem Sonnenaufgang.
Die von Osten aufgehende Sonne strahlte zu den Knospen des Baumes, was in Ordnung ist, sie sollte ja Früchte tragen. Nicht in Ordnung war dagegen die Reflektion eines Glases der Brille, was meiner Mutter wohl bei einer "Morgenzigarette" - sie war also nicht bei der direkten Suche - auffiel.
Tja, und so kam es wie es kommen mußte. Sie fand die Brille bei Frau Baum und ich fand sie kurz danach wieder auf meiner Nase. Glückseelig dabei schien aber nur meiner werte Mutter zu sein.

Solchen und ähnliche "Spässe" machte ich mir in den Folgejahren öfters, leider gelang es mir nie wieder so gut wie bei der Geschichte und der Übereinkunft mit Frau Baum damals.

[die besagte Freundin mit mir auf einem Kindergartenfest beim Tanz]


Römisch Eins: Strabismus in Form von Übersichtigkeit

Der genaue Leser wird feststellen, dass ich den obigen Teil mit einem Wort anfing und auch beendete: "damals". Ist reiner Zufall, wenn man von früheren Ereignisse schreibt. Vielleicht, ja vielleicht...
Vielleicht aber auch nicht.

I. fängt an mit meiner Übersichtigkeit. Im Allgemeinwortlaut: Weitsichtigkeit. Das ist im Grunde ein ganz normaler Prozess, dem Kinder in dieser Entwicklungsphase bis hin zur Hälfte ihres Lebens als Erwachsender ausgesetzt sind. Ich kann keinen dafür tadeln, wenn er es nicht weiß, aber so ist es eben.

Gängige Meinung dabei ist eine solche bereits eben im Kindesalter bei einer Überschreitung einer gewissen Richtzahl (über 3 dpt) mit Augenhilfen zu behandeln, was für mich als Laie und rein aus der Intuition heraus völliger Unsinn ist.
Ob es bei mir so der Fall war, wage ich auf jeden Fall stark zu bezweifeln. Jedoch komme ich nicht umher, die Frage danach zu stellen, ob ich dadurch begann diesen Strabismus - im Allgemeinwortlaut: Schielen - so auszuprägen, dass es laut den damaligen Fachärzten einer operativen Behandlung bedarf.
Eine andere Ausgangslage konnte es laut dem gängigen Wissen allerdings nicht sein, denn vererbt wurde mir das keinesfalls. Da meine Normwerte unter der Richtzahl 3 Dioptrien waren (R 2,75 - L 2,25) gehe ich stark davon aus, dass es hier einen anderen Hintergrund haben muss, ferner auch, dass die damaligen Maßnahmen nicht von Nöten hätten sein müssen.

Mein kleines Glück war, dass ich nur am monolaternen Schielen, also dem einseitigen Schielen "erkrankt" war, genauer gesagt litt ich an "Strabismus rotatorius" ("Zyklotropie") in der "exzyklotropischen" Form. Tja, und wenn wir schon so schön bei den Fremdwörtern sind, die die Welt von Augenärzten zum Strahlen bringt, möchte ich ergänzend dazu schreiben, dass dies wohl der Grund meiner Augenklappe war, die ich ein paar Wochen nach der Operation in Mittelfranken um die "Nikolauszeit" 1985 tragen durfte. All das um eine (einseitige) Amblyopie (Schwachsichtigkeit) zu verhindern.

Der Zeitpunkt war also perfekt, schenkt man den Ergebnissen der Fachschaft in diesem Sinne Vertrauen.
Im anderen Sinne menschlich gilt mein Dank meiner Mutter, die drei lange Woche auf einen Notbett mit mir im fremden Krankenhaus verbrachte.


Römisch Zwei: Hyperopie

Wie schon oben erwähnt ist die "Übersichtigkeit" ein ganz normaler Verlauf des Menschen in seiner Kindheitsphase.
Und auch ich viel dieser "zum Opfer" und mußte zur Korrektur eine Brille tragen. Das ich das heute nicht für nötig halte, und es damals schon wußte, also dass dies absoluter Blödsinn ist, habe ich bereits in "Mein Vorspiel" mit einer Geschichte erklärt.
Trotz all meiner Bemühungen kam ich nicht darüber hinweg und fügte mich meinem Schicksal als Brillenträger wider Willens.

Im 21. Jahrhundert erklärte mir der damals noch praktizierende Facharzt für Augenmedizin (damals auch noch für sogenannte "Nicht-Privatpatienten"), dass ich seiner Meinung nach keine Brille mehr tragen mußte. Das war für mich damals wie heute - wenn ich mich daran zurückentsinne - ein mehr als erfreulicher Tag, der wohl das gängige Chargon "Ostern, Weihnachten und Geburtstag zusammen" nahe kommen würde.
Wenn man 15 Jahre Brillenträger ist, und ein Arzt einem dann das sagt, was man 15 Jahre lang für richtig hielt, nenne ich das mal eine Offenbarung zwischen Mensch und dem Menschen im weißen Kittel, der so nicht oft vorkommt.

Fünf glückliche Jahre warteten auf mich, fünf glückliche Jahre als Nicht-Brillenträger! Meine Hyperopie - meine Weitsichtigkeit - war geheilt. Ob die verschiedenen Sehhilfen mir dabei über die Jahre halfen oder nicht sei mal wirklich ganz dahingestellt.

PS: in dieser Zeit entwickelte ich meinen Spleen zum Tragen von Sonnenbrillen ggf. aus psychologischen Gesichtspunkten evtl. auch aufgrund des Schutzes, denn ich über die Jahre durch das Tragen von Gläsern vor den Augen erleben durfte.


Römisch Drei: Myopie

Wie es dazu kam, dass ich unter der sogenannten Kurzsichtigkeit anfing zu leiden, kann ich mir selbst erklären. Obgleich mein "Krankheitsverlauf" doch ein wenig seltsam auf den ersten Blick erscheint. Andererseits ist es sehr natürlich in den Unnatur in der wir leben.
Es mag sein, dass wir uns diesen Faktoren aus der reinen Abhängigkeit aussetzen und die Folgen billig in Kauf nehmen oder auch aus der einfachen Lust daran, ein Leben zu frönen, dass so nicht uns angedacht war und ist.
Da mögen Studien behaupten was sie wollen, und voran- oder ausschicken, dass der Begriff bereits in der Antike bekannt war. Aber eines werden sie wohl nicht nachweisen können, nämlich die fortschreitenden Degenerierung des menschlichen Auges gesamtweltlich gesehen.
Wenn ich mein berufliches wie privates Umfeld anschaue, so sehe ich lediglich 10 % ohne Brille - oder anders gesagt 90 % Menschen, die auf ein optisches Hilfsmitteln angewiesen sind. Man erkennt sie nur auf den zweiten oder dritten Anschein, denn der Mensch hat ja Möglichkeiten gefunden diese Zahlen auf den "ersten Blick" zu verschleiern. Linsen, Schalen und Gläser als Hafter - Kontaktlinsen genannt. Oder aber auch die "erschwingliche" Variante unter Zuhilfenahme der refraktiven Chirugie, sprich dem Lasern der Augen.
Gibt es heute noch einen Menschen, der keinen Augenarzt seines Vertrauens oder einem seines Unvertrauens besucht hat?

Mich würde es nicht verwundern, wenn das Augentraining nach William Bates in eine gymnastische Einheit an Arbeitsplätzen mit überwiegender Bildschirmarbeit mit aufgenommen wird. Schlecht wäre es allemal nicht.

Für den interessierten Leser: Meine Augenwerte sind aktuell gleichbleibend, leider fast auf das dpt genau im Umkehrverhältnis wie seinerzeit zu meiner jugendlichen Hyperopie.
Ob meine derzeitige - zum Teil, ich gebe es zu, unnatürliche - Lebensweise eine Verbesserung bewirkt, vermag ich heute nicht zu beurteilen.

Ich möchte jedoch an dieser Stelle enden, denn alles Weitere kann, will oder werde ich evtl. zu anderer Zeit thematisieren. Ein reines Zitat lasse ich aus, es wäre ohne Brille nur unscharf zu erlesen. "Myophieker" brauchen daher kein Auge zukneifen.

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Anmerkung: ein "unnatur_pt3b" für Bemerkungen ist bisweilen nicht
angedacht; bei Fragen bitte daher die Kommentarfunktion benutzen.



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2 Kommentare :

  1. Hi Alex,

    Ich bin bei der Szene mit der vorbeilaufenden Frau fast erstarrt, weil ich SOFORT dieses Musikstück im Kopf hatte:

    http://www.youtube.com/watch?v=adXZnaVGIb8

    "With her eyes, she breaks light into colors.... in a room of a million rainbows... "

    F a n t a s t i c!

    Gute Nacht

    ++dirk

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  2. Das 3fache D sagt Danke Dir Dirk für den lieben Kommentar. :-)

    Deinen File habe ich zwischenzeitlich bekommen, dafür auch noch mal ergebensten Dank.
    Es klingt auf jeden Fall so, als ob du schon mal eine ähnliche Erfahrung gemacht hast, wie mein erwähnter Freund, den ich (Notiz für mich) vielleicht mal über das Gesichtsbuch den Link hier hin schicken sollte. ;-)

    Eine verrückte Idee fällt mir just im Moment ein: Du kannst gerne mal bei mir Gastblogger machen, ohne Blog sozusagen und nur mit Copypaste von einen deiner vielen Artikel, so bleibt wenigstens ein wenig der digitalien Nachwelt erhalten.
    Was mir z. B. sehr gefallen hat war dein vegane Artikel im "Wurstsalat".
    Dazu fand ich nur weniger erhellende Sätze, die man hier nachlesen kann:
    http://www.blog.adelhaid.de/2013/06/ernahrt-uns-vernunftig.html

    VlG, Alex

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