Selbstanalyse (Pt. 12c)
"Und wenn Natur dich unterweist, dann geht die Seelenkraft dir auf."
(aus J. W. v. Goethes 'Faust. Eine Trägodie')
Vorweg das Eigenzitat aus dem ersten Teil hier nochmals:
"HEY! Ich bewege mich mehr in der freien Natur als du! Während du nur zwischen Haus, Auto und Arbeitsplatz ein paar Meter schlenderst gehe ich jeden Tag im Wald mehrere Kilometer joken - und zwar früh und abends!"
"HEY! Ich bewege mich mehr in der freien Natur als du! Während du nur zwischen Haus, Auto und Arbeitsplatz ein paar Meter schlenderst gehe ich jeden Tag im Wald mehrere Kilometer joken - und zwar früh und abends!"
Die erste Frage stellt sich nach der Definition von Natur, im Besonderen behandele ich hier die belebte (also die Pflanzen- und Tierwelt). Natur fängt bei mir dort an, wo Mensch seine Hand nicht im Spiel hatte. Das kann ganz klein sein, wie eine Löwenzahn der sich durch das menschliche Straßenpflaster frisst. Aber das ist es nicht nachdem der oben erwähnte Freizeitsportler suchen sollte. Es sind nicht die Wege, die planiert sind mit Beton, Kiesel, Schotterscheinen oder nur ein Trampelpfad. Wanderwege, so unliebsam zu Begehen sie auch manchmal sind, sind Wege die durch Menschenfuß entstanden sind. Solche braucht man nicht zu suchen, sie "wachsen" von selbst und bestehen solange sie in aller Regelmäßigkeit benutzt werden. Sie schwinden aber auch schnell wieder, wenn sie keiner mit dem Fuße hegt, wenn ich mal so philosophisch sein darf.
Der in der Geschichte als E benannte Trampelpfad-Hüpfer bewegt sich somit nicht mit dem Fuße in der Natur, wenn man mal davon absieht, dass er sie um sich herum sowieso kaum wahrnehmen wird, da er nur mit dem Weg oder seinem Laufschritt beschäftigt ist. Er riecht wohl eher seinen eigenen Schweiß als die herrlichen Düfte die ihn umgeben. Er hört die Stille oder die Geräusche um ihn nicht, er beteiligt sich auch an diesen nicht, denn leise ist er nicht, und die Geräusche die er mit seinem Schuhwerk verursacht sind nicht solche, die man besinnlich belauschen will.
Mr X hat nicht von ungefähr unterschwellig zu Zehenschuhen ohne Fußbett geraten. Zwar macht das auch Geräusche, die nicht denen entsprechen, die barfüßig erzeugt wurden, aber es fördert ein anderes Gefühl von unten nach ganz oben. Ich spreche hierbei nicht wirklich aus eigener praktischer Erfahrung heraus, denn wohlwahr war ich schon in solchen drinnen, habe sie aber bislang nie auf meinen vielen Wanderungen mit Hund getragen. Ich bin eher jemand, der sich nicht zu bequem ist Schuhe auch mal samt Socken auszuziehen, die Hose hoch zu krempeln und einen Gang durch nasses Gras oder kühles Wasser zu wagen. Gerade letzteres entstand eher aus dem Grund heraus, dass ich gerne trockenen Fußes nach Hause kommen wollte. Aber prinzipiell ist es egal, solange man es sich getraut und gleichsam es auch in Kauf nimmt sich unter Umständen zu verletzten, wenn man nicht sorgsam seine Schritte wählt. Es ist auch nicht gerade erbaulich, wenn man über eine Nacktschnecke tritt, andererseits zerstört man so nie ein Gehäuse einer z. B. Bandschnecke.
Und so laufe ich stets bedacht, wenn ich mal abseits der menschliche Pfade gehe, oft mit einem Blick nach unten.
Trotzdem ist mir klar, dass es ein Unterschied ist, ob ich über eine ungemähte Streuobstwiese laufe oder durch Waldstücke fernab vom Weg (natürlich ist der Hund dann angeleint). Und auch das mache ich nicht aus Spaß an der Freude, sondern eher um an den natürliche Supermarkt zu kommen, der eben seine besten Gratisangebote mehr abseits der menschlichen Pfade zeigt.
Dieses Thema fällt daher in die Artikelreihe "Selbstanalyse", weil es schlicht und ergreifend darum geht, einmal selbst darüber nachzudenken, wie oft man denn tatsächlich in der Natur unterwegs ist und nicht nur auf naturnahen erstreckten Wegen entlangspaziert.
Die Grundfrage an jeden Leser sollte somit lauten:
Wann hat man mal einen Blick nach vorne, hinten, oben und unten, der einem nur das zeigt, was vom Menschen kaum oder gar nicht berührt ist/wurde?
Und ferner: wie man sich in so einer Situation dann verhält?
Versucht man möglichst schnell wieder raus aus dem Dickicht zu kommen, weil man Angst hat sich zu verlaufen, Angst hat vor Getier belästigt oder gestochen, gar gebissen zu werden (Stichwort: Zecken)?
Angst hat auf Wild zu stoßen? Oder vielleicht auch nur Befürchtungen, dass ein anderen Mensch einem sieht und obendrein vielleicht noch nach dem Grund für seine Lage fragt? Vielleicht ist es auch ein Pächter dieser Wildins? Und wenn dem so sei, dann ist eines klar: man ist eben nicht in der unberührten Natur!
Gerade in diesem Jahr mit dem vielen Regen und den zahlreichen Überschwemmungen konnte ich beobachten, wie schnell sich die Natur wieder das nimmt, was Mensch ihr so viele Jahre beraubt hat. Und ich weiß aus Erfahrung, dass es eben nicht leicht ist in Deutschland solche Orte zu finden, wo man nicht nur optisch abseits jeglichen Eingriffs in die Natur durch den Mensch ist. Man muss schon suchen, um auch mit dem Ohr nur Geräusche wahrzunehmen, die nicht von Menschen verursacht wurden.
Die Frage, um es kurz zu machen bleibt bei all diesen Voraussetzung die gleiche: Wann bin oder wann war ich tatsächlich in einer belebten Natur? Und ferner: wie lange?
Konnte ich diesen Augenblick genießen, konnte ich Eins sein oder werden in meiner Umgebung (gleich beim ersten Mal)?
Für mich bleibt es weiter mein Bestreben mehr dieser Orte zu finden, so klein sie auch sind. Denn nur dann kann ich aufgehen in der Natur, zu der ich dazugehöre. Denn auch ich als Mensch bin ein Teil der Natur.
Und so schließe ich unvollkommen sozusagen mit dem was ich begonnen habe.
"Wo fass ich dich, unendliche Natur? Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens."
(aus J. W. v. Goethes 'Faust. Eine Trägodie')