Über- oder bedenkenswert (Pt. 17)
Quelle: http://www.oldskoolman.de |
"Murre nicht, wenn dich die Plage harter Arbeit nicht verläßt!
Kirchweih ist nicht alle Tage und nur schön ein selt'nes Fest."
(Martin Graf)
Kirchweih ist nicht alle Tage und nur schön ein selt'nes Fest."
(Martin Graf)
Bevor das Nürnberger Volksfest (schöner Videotipp dazu von Franken-Blogger) zu Ende geht, würde ich doch gerne diesen Punkt auf dem Notizblock abhaken.
Ich werde mich hier sehr kritisch zum Titelthema beschäftigen, zum einen natürlich mit der Tradition der Kirchweihen und zum anderen mit dem lange bestehenden Milieu der Schaustellerkunst sowohl eben auch mit dem mittlerweile gängig vorherrschenden Bild, dass man heute gar zahlreich auf "Kerwas" vorzufinden hat.
Freundlicherweise wurde mir hier noch ein weiteres Video zur Verfügung gestellt, dass man sich auch anschauen kann, wenn man nicht bei diesem "Social Network" angemeldet ist.
Es zeigt den feierlichen Zug der Dorfgemeinschaft samt deren Vereinen sowie musikalischer Ummalung mit dem Frankenlied.
Über die vielen Jahren des Kirchweihtums haben sich zahlreiche Bräuche, Traditionen und damit verbundene Rituale eingespielt und werden auch noch so größtenteils weitergegeben und an diesem Tag im Jahr aufgelebt, was ich auch grundsätzlich für "sehr lobenswert" ansehe.
Aber schauen wir uns zu Beginn den tatsächlichen kirchlichen Ursprung der "Kirchweihe" an, der uns wohl ins heutige wie auch damalige Rom führen wird. Genau gesagt zur „Mutter und Haupt aller Kirchen des Erdkreises“, der Lateranbasilika.
Die Kirche existiert zwar schon seit Anfang des 4. Jahrhundert und war auch 1000 Jahre Hauptresidenz der Päpste. Ihre ursprüngliche Weihe geht somit auf das Jahr 324 zurück, was aber nicht "welt-römisch-katholisch-geschichtlich" bedeutend schien, dass es jetzt etwas mit den heutigen Kirchweihfesten zu tun hätte.
Die Kirche existiert zwar schon seit Anfang des 4. Jahrhundert und war auch 1000 Jahre Hauptresidenz der Päpste. Ihre ursprüngliche Weihe geht somit auf das Jahr 324 zurück, was aber nicht "welt-römisch-katholisch-geschichtlich" bedeutend schien, dass es jetzt etwas mit den heutigen Kirchweihfesten zu tun hätte.
Erst Papst Benedikt der XIII. hinterließe seine Fußabdrücke mit der Konsekration am 28.04.1726. Warum dann gerade der 09. November definiert wurde kann ich nicht sagen, allerdings darf ein Jeder dieser Konfessionsgruppe mit diesem Datum ein weltweites Hochfest in Verbindung bringen.
Es ist nebenbei sehr interessant zu erkennen, dass die evangelische Kirche im weiteren Sinne diverse "Consecro-Rituale" dieser Art von "sacerer Heilighuldigung" ablehnt. Dagegen wird sich eher "dedicatio" verhalten. Besonders kennzeichnend sieht man es an den Namen der Kirchen, die nicht irgendeinen Patron oder einem (verstorbenen) kirchlichen Heiligen führen. Selbstverständlich schauen solche "Gotteshäuser" demzufolge auch im Inneren anders aus, aber das brauche ich ja nicht weiter ausführen.
So oder so, es wird geweiht nach einem Neubau oder wie damals im 18. Jahrhundert nach einer Renovierung bzw. Sanierung der o. g. Basilika. Und dem ausgehend wird dann - sofern möglich - alljährlich das Fest gefeiert.
Damit es einfacher zu verstehen ist, auf was ich genau hinaus will, breche ich hier gerne herunter und lade den Leser dazu ein, sich Folgendes Fiktivum vorzustellen:
Du hast einen Schrebergarten, den du nur am Wochenende besuchst. Damit du es gemütlicher hast (oder warum auch immer), baust du dir dort ein kleines Gartenhaus. Sobald es steht, wird ein Richtfest gefeiert, dass begangen wird vom Familienältesten, der um das Häuschen herumsprengelt mit Wasser und dabei in seinen Bart irgendetwas murmelt, das niemand versteht, aber jeder der Anwesenden für gut und richtig empfindet. Hier und da hält er sich dann mal länger auf, ob im oder außerhalb des Schreberhüttchens.
Danach sagt er, das alle jetzt in den Wald gehen und einen Baum zu Ehren dieses Tages fällen. Der tote Baum hat nur den einen Nutzen, dass er in unmittelbarer Nähe irgendwie in den Boden gerammt wird, nachdem er noch etwas beschmückt wurde. Danach wird gesungen, um den Baum getanzt und weil man hungrig und durstig ist dabei auch ordentlich gegessen und getrunken. Vielleicht muss man dafür ja auch noch ein Wildschwein fangen - das überlasse ich der Phantasie des Lesers.
Die Feier geht bis in den späten Abend, als der Alte dann seinen beiden Enkelsöhnen befiehlt die ganze Nacht auf den Baum und die Hütte aufzupassen, bis die Gesellschaft wieder am Morgen kommt und noch mal nachfeiert.
Alles noch "in Ordnung", wenn der Älteste der Familie nicht darauf kommen würde, dass dieser Tag - beispielsweise der 2. Sonntag im November - nun im Kalender notiert wird und stets passend an einem Wochenende ähnlich wie heute in Erinnerung gerufen wird. Mit allen Drumherum, dass er der Alte zeremoniert hat.
5 Jahre darauf ist der Alte nicht mehr körperlich dazu fähig mitzufeiern oder das nun schon eingespielte Ritual auszurichten. Die Kinder der Enkelsöhne des Alten sind mittlerweile auch schon älter und wollen sich an dem Fest beteiligen und stellen etwas zur Schau, beispielsweise einen Tanz mit Musik. So vergehen wieder die Jahre und die Familien wird immer größer. Es kommen mittlerweile auch weitläufigere Verwandte sowie Bekannte aus der Dorfgemeinschaft zum Gartenhausweihfest. Denen will man natürlich was bieten bzw. wenn sie sich nicht beim Essen und Trinken beteiligen auch etwas Geld aus der Tasche ziehen. Folglich entstehen die ersten Buden mit Essen und auch so Rahmenprogramme wie Verlosungen oder Tombolas. Selber gesungen wird auch nicht mehr, es wird ein Musiker engagiert, der dass dann übernimmt ...
Im Sinne weiterer Gedanken kann der Familienälteste wohl froh sein, dass er das alles nicht mehr miterleben muss.
Und auch ich brauche wohl hier nicht mehr viel weiter zu schreiben, denn die Geschichte zeigt schön, wie man aus einem einfachen Bau eines Gartenhauses ein völlig unnötiges "Hochfest" mit vielen rituellen Gebräuchnissen macht, deren Sinn schon am Anfang nicht verstanden wurde, aber auf Anbesinnen des Familienältesten sowie seinem späteren Tod weiter fortgeführt wurde. Und vielleicht bekommt zu seiner Ehre im späteren Verlauf auch mal das Fest im Zusatz seinen Namen verliehen...
Der ungeneigte Leser wird sich jetzt wohl denken 'Was will der denn?'
Oder vielleicht eher erbost lapidar ausstoßen: 'Lass die Leute doch feiern!'
Und ich könnte entgegnen: 'Genau! Das ist meine Botschaft. Feiert mit, habt keine Ahnung, um was es geht. Spielt nur das Freibiergesicht, den Außenstehenden, der dort aufschlägt und sich ergötzt an den leiblichen Genüssen und allen anderen Bespaßungen!'
Das würde ich natürlich nicht sagen. Ich würde gar nichts sagen, weil ich niemanden zum Denken bekehre. Und wer so etwas fragt, der hat - und da muss ich ganz böse sein - hier nichts verloren.
Sicherlich bin ich kein Ablehner von Zusammenkünften von Menschen. Ich mag Veranstaltungen, aber umsomehr solche, wo ich mich daran beteilige und auch weiß, warum man feierlich zusammenkommt. Es ist in meinem Verständnis wichtig, sich darauf zu besinnen.
Und daher habe ich auch das oben verlinkte Video noch mit aufgenommen, weil man hier tatsächlich sieht, wie ein ganzes Dorf sich zusammenfindet und etwas gemeinsam unternimmt. Es ist auch richtig, dass man im Anschluss danach das Begehen in gemütlicher Runde ausklingen lässt.
Die schlussendliche Frage ist nur, ob es denn wirklich nötig ist, dass man für das leibliche Wohl und für das Vergnügen Personen einladen muss, die sich daran beteiligen, aber grundsätzlich nichts mit der Gemeinschaft zu tun haben? Wäre es nicht schöner, wenn man auch alles nach dem Rahmenprogramm selbst organisiert?
Und schließlich und nun tatsächlich endlich gibt es für das Verlangen nach Attraktionen dieser Art auch die Volksfeste in Städten, wo es sich gerade umgekehrt verhält: nur wenige Einheimische beteiligen sich an dieser Veranstaltung, vielleicht gerade einmal mit einem Bierzelt. Und nebst so ein Bierzelt - und das muss ich mit aller Konsequenz festhalten -, ist ein Zelt zu viel. Das wäre genauso unsinnig wie wenn eine fahrende Zirkusgemeinschaft einen Popcornverkäufer engagiert - und zwar jedes Mal und an jedem Ort, wo sie gerade ist.
"Eine schmerzliche Wahrheit ist besser als eine Lüge."
(Thomas Mann)
(Thomas Mann)