Social Media (Pt. 14)
Ein paar Vorworte des "Gastgebers": Der nachfolgende
Gastbeitrag meines kosmopolitischen Freundes F.-R.W. steht hier unter dem Label Social Media, da ich die angesprochenen
bzw. aufgegriffenen Zeitungsartikel (im Text verlinkt) auf seiner
Facebook-Chronik kommentiert hatte. Diese Kommentare fließen in den nun
folgenden Text ein, den ich im Übrigen für eine ausgezeichnete
Semi-Prosa-Erzählung halte - Leseempfehlung!
Diese Geschichte hat noch keinen Namen und der Titel der jetzt darüber steht
ist ein Arbeitstitel. Damit wäre der erste Satz geschafft und ich habe noch
keine konkrete Ahnung wohin diese Geschichte führen soll und bin deshalb so
schlau wie der gedachte Leser, den ich mir gerade vorstelle und der bei der
Stange gehalten werden will. Es ist Dienstagnachmittag und ich will hier zwei
Dinge eingestehen, die ich sonst gern verschweige: Ich mache regelmäßig einen
Nachmittagsschlaf und bin bereits sechzig Jahre alt. Vor dem Einschlafen hatte
ich eine Kurzgeschichte von Edgar Keret gelesen, der aus Israel kommt und den
ich vor über 20 Jahren einmal in Prag auf einem "Writers Festival"
kennen lernen durfte – in Israel soll ihn fast jeder Israeli und auch einige
Palästinenser kennen. Erst ist, nein, er war schon damals eine Berühmtheit –
wenigstens in Israel. Ich war damals keine Berühmtheit und bin es auch heute
nicht – Schwamm drüber. Angeblich soll es so sein das man sich Berühmtheit
wünscht (und natürlich viel Geld als Doppelwunsch) und wenn man dann berühmt
ist soll man das angeblich verfluchen, weil einen jeder kennt, mit einem
gesehen werden will ("Can I take a picture with you?") und einem das
nur noch auf die Nerven geht. Dann bin ich eingeschlafen. Vorher hatte ich mir
noch meine Augenklappe über den Kopf (und natürlich die Augen) gezogen, und bin
dann sofort in ein tiefes Loch gefallen. Das ist bei mir der ideale
Mittagsschlaf (bin ich doch schon über sechzig), und dann träumte ich etwas
sehr intensiv ohne mich danach an irgendetwas erinnern zu können. Am schönsten
ist die Aufwachphase, wo ich am klarsten denken und fühlen kann. Ich lag also
so halbwach herum und dachte, "Du müsstest eine Kürzgeschichte
schreiben". Der lang verstorbene Philosoph Seneca hatte das auch
einmal nach einem Nachmittagsschlaf gemacht und schrieb dann „Von der Kürze des
Lebens“ – aber der war auch schon zu Lebzeiten berühmt.
Heute wollen auch die Unbegabtesten berühmt werden, besonders die jungen
Hüpfer, die alle zu Deutschland sucht den Oberdeppen wollen um sich
von abgewrackten Popstars in der Jury fertigmachen zu lassen. Muss man sich das
antun? Darum habe ich kein Fernsehgerät, gibt es doch anspruchsvollere
Beschäftigungen, um seine verbleibende Lebenszeit damit totzuschlagen – verzeih
mir meine Ausdrucksweise, wenn du willst und kannst. Was mich wundert, das du
überhaupt noch hier weiterliest, wo ich doch im Prinzip nichts zu sagen habe.
Trivialitäten, über die es sich kaum lohnt ein Wort zu verlieren – und jetzt
habe ich schon viele Worte darüber verloren, machen doch diese Trivialitäten
mein Leben aus, meine Lebenszeit, die ich teilweise totschlage wie du, lieber
gedachter Leser! Zurzeit habe ich fast täglich die Neue Zürcher Zeitung (außer
sonntags) im Briefkasten, die ich dann mittels der Überschriften überfliege.
Ich lese nur Artikel ausführlich, die mich interessieren. Viele Meldungen lesen
sich wie Wiederholungen: Selbstmordanschläge in Afghanistan, ertrunkene
Flüchtlinge im Mittelmeer und so weiter, was ich dann mit einem Gefühl des
Bedauerns überblättere. Kürzlich war eine ganze Seite im Feuilleton der NZZ mit
einem Beitrag des Modephilosophen Peter Sloterdijk (der aber nicht über Mode
philosophierte) gefüllt. Er hatte den Titel: "Der Mensch, das Stammeswesen
– Die Globalisten irren: Nicht das Stammesdenken, sondern die Vereinsamung
fördert den Neoautoritarismus." [Link] Warum diese
akademischen Philosophen immer so gestelzt daherreden müssen, von wegen
"Neoautoritarismus", wo man erst einmal tief durchatmen und
durchdenken muss, was damit gemeint sein soll? Der Anfang des betreffenden
Wikipedia-Artikel (ohne das NEO vor dem Autoritarismus) bringt es so auf den
Punkt: "Autoritarismus (französisch autoritaire
‚befehlerisch‘, ‚herrisch‘; lateinisch auctoritas ‚Einfluss‘, ‚Geltung‘,
‚Macht‘) gilt in der Politikwissenschaft als eine diktatorische Form der
Herrschaft, welche zwar zwischen Demokratie und dem diktatorischen
Totalitarismus liegt, sich von Letzterem aber klar unterscheidet." [Link]
Geschenkt, man kann die verbleibende Lebenszeit auch weniger kopflastig
totschlagen und Sloterdijk ist meines Erachtens überbewertet und eine
aufgeplusterte Zeitgeisterscheinung bzw. hält er sich für den denkenden Teil
des Zeitgeistes ohne es zu sein. Tatsächlich kommt es nur auf das Sein und das
Bewusstsein an.
Mein Kommentar:
Was hinter dem ganzen
Fachvokabular verborgen bleibt ist das Herausstechen der einfachen Bekenntnis,
dass die Sesshaftigkeit die Menschheit in großen Teilen zu dem machte, was sie
heute ist, und dazu passt eigentlich nur eine Umschreibung: ein empathieloses
Etwas (Nichts?). Meine These beruht übrigens auf einfachen Überlegungen (nach
der Anschauung/Betrachtung), die auch auf evolutionstheoretischen Modelle Fuß
fassen kann. Ich würde z. B. behaupten, dass der Mensch 99% seiner Zeit (gemäß
dieser Theorie) eben nicht sesshaft lebte und mit großer Wahrscheinlichkeit
nicht nach dem Motto, dessen Irrwitz so einprägsam in uns gestreut wurde, das
da lautet: "Der stärkere überlebt" [sic!]. Wenn man dann noch den
hegemonialen Diskurs einbringt, wogegen ich behaupten würde, dass diese
Vorgängermenschen am Wenigsten von der Jagd lebten, sondern eher vor veganer
Kost (Früchte, Beeren, Kräuter), dann stimmt unser ganzes
Geschichtsmodellweltbild (- was für ein Wortungeheuer... -) nicht mehr. Was
über blieb waren Waffen, von denen geschlussfolgert wurde, dass der Mann für
das Überleben durch Einbringen des Essens - womöglich ausschließlich - sorgte,
was wohl der größte Unsinn ist, den sich wahrscheinlich nur ein Mann einbilden
konnte. Mich wundert immer wieder, dass das ein jeder so einfach als Wahrheit
hinnimmt und nicht das Hirngespinst mit einfachen Gedanken auslotet.
Wie auch immer - fachlich gut geschrieben, aber in der Aussage bleibt der
Konsens der Zeit hängen. Ansätze sind indes zu erkennen.
Jetzt habe ich eine wunderbare Überleitung zu einem anderen NZZ-Beitrag gemacht, der in der heutigen NZZ-Ausgabe im Feuilleton-Teil derselben erschien und den ich dann gleich in mein Facebook-Account gesetzt habe – und zwar mit dem Kommentar: "Wenn ich mir einmal die 'Frechheit' erlauben darf, und hier den kürzlich in der NZZ erschienenen Beitrag ("Der Mensch, das Stammeswesen") des Modephilosophen Peter Sloterdijk mit diesem hier von Peter Strasser zu vergleichen, dann hat "Das Ich verschwindet – und jetzt?" einen eindeutig höheren geistigen Nährwert, deshalb: man hüte sich vor den Wichtigtuern, auch unter den Philosophen, die leider auch unter Narzissmus-Problemen leiden..." Das meinte ich tatsächlich so wie ich es schrieb, und es ist kein Witz. Je "uneitler" der Philosoph, umso tiefer seine Erkenntnis, könnte man sagen, muss aber nicht immer stimmen. Ich erlaube mir hier nur das Ende des Strasser-Beitrages zu zitieren und verabschiede mich damit (jetzt hat der "Büchermarkt" auf Deutschlandfunk angefangen, den ich immer höre):
"Die negativen Gesellschaftsutopien, die heute im Schwange sind – auf
hohem Niveau hat Yuval Noah Harari mit seinem Buch «Homo Deus» kürzlich eine
solche vorgelegt –, verdanken sich einerseits argumentativen Kurzschlüssen,
andererseits unausrottbaren Wünschen. Dass die Gehirnforschung unsere
Unfreiheit bewiesen habe, ist ein solcher Kurzschluss. Und dass die Menschen
unsterblich sein möchten, war nicht bloss eine fixe Idee des Schriftstellers
Elias Canetti, der sich zum Todfeind des Todes stilisierte. Neu ist freilich
die Sehnsucht, der «Antiquiertheit des Menschen» (Günther Anders) zu entkommen,
namentlich durch den ewigen Jungbrunnen aus dem unerschöpflichen Arsenal
intelligenter Technologien.
Derlei Phänomene sagen nichts aus über die Berechtigung und den
wahrscheinlichen Fortbestand unserer liberalen Gesellschaften. Ihr Ende –
sollte es jemals eintreten – wird, entgegen den Unkenrufen der «Humanisten»,
weniger durch wissenschaftliche Fortschritte erzwungen werden; viel eher wohl
durch totalitäre Heilsbewegungen. Doch gerade deren Denken bewegt sich am
extremen Gegenpol zum Neuro- und Digitaldiskurs der Techno-Avantgarde, nämlich
am mythischen Pol des Kollektivs. Dort regiert eine bedeutungsschwangere
Dialektik von Freiheit und Schicksal, Schuld und Sühne: eine rückwärtsgewandte
Sicht der Welt, worin Aufklärung über die Natur des Menschen als Einfallstor
des Teufels gilt." [Link]
Mein Kommentar
Uff, am Ende fragt man sich glattweg,
was noch mal das eigentliche Thema war, ohne das er jetzt großflächig
abgeschweift hätte. Mir bleibt da nur das Klischeedenken über: Österreichische
Philosophen kommen nie zum Punkt, punkten dagegen mit ganz viel vielschichtiger
Informationsschwämme, zumindest war der Beitragsschreiber ein Aushängeschild
für mein dahingehauchtes Vorurteil. Es liegt an jedem einzelnen Leser, sich
darauf einzulassen, also auf die Schwämme.
Persönlich vermisste ich die Grundsatzfrage zum freien Willen und zur freien bürgerlichen (Fiktions-)Gesellschaft(-sform), kann aber auch sein, dass ich es überlesen habe. Man ist verstört nach diesem Artikel, zumindest nach einmaliger Lesung und just eben danach. Mehr Eindrücke will ich heute davon nicht einfangen wollen. Jeden Tag einen Satz davon, häppchenweise. Auf einen Schlag ist das zu viel, selbst für mich.
Persönlich vermisste ich die Grundsatzfrage zum freien Willen und zur freien bürgerlichen (Fiktions-)Gesellschaft(-sform), kann aber auch sein, dass ich es überlesen habe. Man ist verstört nach diesem Artikel, zumindest nach einmaliger Lesung und just eben danach. Mehr Eindrücke will ich heute davon nicht einfangen wollen. Jeden Tag einen Satz davon, häppchenweise. Auf einen Schlag ist das zu viel, selbst für mich.