PerChaTem (Pt. 10c2)
FAQs zur Reihe (PerChaTem) / Grundsatzfrage: Die ewige Schuldfrage und eine Flasche Liebe
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Die Rollenspieler (Denunziation)
Die Rollenspieler (Denunziation)
Der Ausspruch "Die Unerträglichkeit des menschlichen Seins" eröffnet ohne eine Anspielung auf ein namensähnliches Werk aus dem Jahre 1984 (Milan Kundera, "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins") ein neues Kapitel mit einer Brücke zu meinen letzten Worten ("[...] deren Gedankengänge mir unerträglich erschienen"), für mich persönlich, denn zwischen jenen Zeilen und diesen (nach-)folgenden ruhen nun schon nahezu sieben Monate. Rund dreißig kurze Niederschriften verfasste ich in jener Zwischenzeit, so dass man keinesfalls von einer kreativen Schreibpause sprechen darf. Trotzdem sei mir dieser Einschub erlaubt, scheint es mir doch wichtig für die Leser zu erwähnen, gerade in Hinblick auf einen möglicherweise leicht veränderten Schreibstil.
Es gibt Autoren, die für ein Buch viele Jahre brauchen und welche, die in einem Guss ihre Worte zu Papier bringen. Diese beiden Extremmodelle haben am Ende das Resultat als Gemeinsamkeit, am Anfang in bestem Fall die Liebe zum Schreiben. Und hier sind wir schon wieder mitten im Thema, ob die Aussage nun gänzlich stimmt oder nicht mal im Ansatz - wage ist sie allemal.
"Die unerträgliche Lebendigkeit des Seins" (Definition folgt) ist, vom neurologischen Gesichtspunkt betrachtet, nicht wirklich förderlich für Säuglinge, kommen diese - also wir alle - nach jener Wissenschaftslehre "unfertig" auf die Welt, beschränkt man die Empathie beispielsweise auf die Entwicklung der Spiegelneuronen. Der Entdeckung dieser feuernden Nervenzellen beim Menschen ist indes relativ jung, die Spekulationen sind hoch und die allgemein anerkannte Losung ist noch lange nicht gefunden. Unabhängig davon - warum auch immer der Mensch zuerst nach striktiven Deutungen sucht, um sie später wieder zu entzweien - hat jeder die Möglichkeit einfache Erklärungsansätze zu finden, die man geradezu als "unanachronistisch" - sprich: zeitlos - betrachten und keineswegs näher definieren muss. Aus all meiner soeben geschriebenen Worte braucht man demnach nichts mitnehmen, meine Gedankengänge müssen nicht verstanden werden, denn schon der Versuch könnte zu viele Fragen aufwerfen, von denen ich nicht unbedingt jede zur vollen Zufriedenheit beantworten könnte. Trotzdem lege ich forsch nach: In dieser Zeit, in der wir existieren, bin ich gewillt fern von sozialer Empathie zu sein und eine "kognitive Empathieleiche" zu mimen, die ich vielleicht tatsächlich (sic!) bin; und eventuell sind wir ja alle eben das - empathische Leichen -, gestehen es uns aber nicht ein, weil wir es nicht anders kennen oder wissen wollen? Rufen wir uns hier meinen Satz aus "Die Autonomen (Findungsphasen)" in Erinnerung, der da lautet(e): "Wahre Liebe macht Angst".
Da schon erwähnt, muss die Empathie wohl doch mal definiert werden, allerdings nur eine - die einzige wahre oder zumindest für jedermann verständliche - Form: die affektive Empathie, sprich die Fähigkeit Emotionen zu teilen. Und schon hier muss man vorsichtig sein, denn es geht um Gefühle mir unmittelbar nah- oder gegenüberstehender Menschen. Mittelbare Art- und Zeitgenossen oder gar vorherrschende Situationen - also nicht direkt Erlebbares/Betroffenes aus einer weiten Distanz - haben mit dieser Art der Sensitivität nichts zu tun. Ich würde das als ein soziales "Mit-Empfinden" aus der Ferne, eine völlig andere Erscheinung der Empathie, kennzeichnen, was durch unser globalisiertes Sein losgetreten wurde. Das ist grundsätzlich nicht falsch (oder nichts Falsches), jedoch nimmt es auf der technokratischen Schiene abstrakte Formen an, die mit einer tatsächliche sozialen Ader zu Vorkommnissen auf dem Raumschiff Erde nichts in (und mit) der reinen Form zu tun haben.*
Unabhängig davon bin ich ein Befürworter die Empathie als Fähigkeit zu sehen, die zwar angeboren, aber nicht nach festen Mustern determinieren wurde; oder anders herum: Ihre Ausdehnung ist unbegrenzt, die Bestimmung indeterminiert. Das ist ein logischer Ansatz, denn anders ist es gar nicht möglich eine feste Größe zu zerteilen. Gäbe es eine festgelegte Grenze, wären Ausprägungen anderer Formen der (reinen/wahren) affektiven Empathie nicht einmal denkbar.
Kehren wir wieder zurück zur "unerträgliche Lebendigkeit des Seins" und dem Querverweis zu den vor fünfundzwanzig Jahren entdeckten Spiegelneuronen (beim Menschen). Der Kursivschreibung kann man doppeldeutige Absicht vorwerfen - und es wäre indes richtig. So etwas nennt man im Buchwesen "Emphase" - eine Vorhebung. Mein Altgriechisch ist leider zu gering vorhanden, um eine Sprachverwandtschaft zwischen den Wörtern Emphase/Emphasis (ἐμφαίνω/emphaínō) und Empathie (ἐμπάθεια/empátheia) zu bilden, doch rein optisch scheint mir der Einschub als erlaubt, nach dem Ende des Satzes obendrein gegeben, wenn auch ohne Nachweis und einer fehlenden Vehemenz dahinter. Emphatisches Reden dagegen ist deutlich als eine Mittel der Rhetorik zu sehen und ist in meinen Augen ein missbräuchliches Spiel, um von der affektiven Empathie in eine motorische Empathie zu driften, mit dem alleinigen Zweck die eigenen (Macht-)Mittel zu stärken indem das Gegenüber geschwächt wird. Dies sei erwähnt, um den Faden zu den Nervenzellen zu spinnen und zu etwas, was im Grunde jeder kennt, denkt man an das "Ansteckende", dass hervorgerufen wird, wenn beispielsweise jemand gähnt, lacht oder niest. All diese Dinge sind determiniert und haben in meiner Auslegung nichts mit Empathie zu tun. Diese Art von Lebendigkeit haben wir schlicht und ergreifend zu ertragen. Was von dem Neuronenfeuer bleibt ist nur ein Spiegelbild. Doch wann erkennt der Mensch sein eigenes Dasein? Eine genaue Antwort ist nicht einmal von Nöten, denn jeder weiß, dass ein Kleinkind frühestens in seinem 2. Lebensjahr sein Abbild erkennt. Unter dem Gesichtspunkt meiner obigen Definition von Empathie als eine nicht determinierte Fähigkeit kann der einzige Schluss sein, dass die Selbsterkenntnis die Grenze dessen ist, wo die affektive Empathie ihre Basismuster auslegt, gestützt auf deren sie uns in unserem ganzen Leben begleiten wird. Der Grundstein für emotionale Interaktionen wird ergo hier gelegt.
Wovon ich schreiben muss und werde, sind die daraus resultierenden Folgen für meine "Definitionskreation" Rollenspieler.
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* als Verweis ein zusammengesetzter Monolog aus Diskursen unter dem Namen "Empathie